Die meisten Schäden, die nach der Flut an den Fachwerkhäusern zum Vorschein kamen, sind Jahrzehnte alt und nicht durch die Flutkatastrophe entstanden. Die direkt durch das eindringende Wasser verursachten Schädigungen zeigen sich meist durch Abplatzungen an Putzen, Ausspülungen oder Rissen durch den teils hohen Wasserdruck. Die Schäden, die bei den Rückbaumaßnahmen zu Tage treten, sind meist durch fehlenden konstruktiven Holzschutz oder durch die Verwendung falscher Materialien bzw. Wand- oder Deckenaufbauten entstanden. Diese Konstruktionsfehler sind oft erst in den letzten 75 Jahren gemacht worden, da das Wissen um den Erhalt und die Pflege von Fachwerkhäusern nicht mehr gefördert wurde, und verloren ging.

Fachwerkhäuser sind zum Teil mehrere Hundert Jahre alt. Einer der wichtigsten Punkte ist der konstruktive Holzschutz. Das Holzgerüst eines Fachwerkhauses ist das statisch tragende System. Reparaturen am Holzgefüge sind oftmals aufwendig und kostenintensiv. Alle Bauteile im Außenbereich sind Beanspruchungen durch mechanische, physikalische, biologische und chemische Einflüsse ausgesetzt. Um die gewünschte Nutzungsdauer zu erreichen, müssen diese bereits bei der Planung der Holzkonstruktionen berücksichtigt werden. Unsere Altvorderen wussten das. An vielen konstruktiven Details an originalen Fachwerkhäusern können wir dies noch erkennen. Für den Großteil der an Fachwerkhölzern zu findenden Schäden steht als Schadensursache an erster Stelle, Wasser. In der Regel tritt Wasser in flüssiger und in Dampfform in die Konstruktion ein. Es bedarf einer relativ langen Einwirkzeit bevor, z.B. ein altes Eichenfachwerk, Schaden erleidet. Die Einwirkzeit des Wassers während der Flutnacht reichte nicht aus, um die Holzkonstruktionen der Fachwerkhäuser nachhaltig zu schädigen, eine fachgerechte an die Flut anschließende Trocknung vorausgesetzt. Dies gilt auch für Fichtenfachwerk.

Die Grundsätze des konstruktiven Holzschutzes sind:

– Schutz vor Niederschlägen

– Rasche Ableitung von Niederschlagswasser

– Schutz vor Spritzwasser

– Schutz vor aufsteigender Feuchtigkeit

– Schutz vor Kapillarwasser

– Schutz vor Kondenswasser

– Bauphysikalisch richtige Konstruktion (diffusionsoffene Bauweise ist zu bevorzugen)

Der konstruktive Holzschutz zielt darauf ab, die aus dem Feuchteeinfluss herrührenden Gefahren zu reduzieren, d.h. eine unzuträglich hohe Holzfeuchte über einen längeren Zeitraum zu vermeiden.

Neben dem konstruktiven Holzschutz ist auch die Wahl der Baumaterialien entscheidend für die Lebensdauer eines Fachwerkhauses. Lehm-Holz-Kalk sind die ältesten Baumaterialien, die sich seit Jahrhunderten in dieser Kombination bewährt haben.

Lehm konserviert das Holz. Jedes Baumaterial hat eine eigene Gleichgewichtsfeuchte. Lehm hat eine sehr geringe und entzieht dem Holz dadurch dauerhaft die Feuchtigkeit und hält das Holz trocken. Dadurch haben tierische oder auch pflanzliche Schädlinge keine Chance das Holz zu zersetzen. Zement- und Kunststoffhaltige Produkte (Farben, Putze, Mörtel) sperren das Holz ab, da sie zu dicht sind. Bei ständiger Durchfeuchtung nimmt das Holz langfristig Schäden, die wir jetzt in Form von z.B. torfigen, zersetzten Balken sehen können.

Weitere Bausünden, die das Fachwerk schädigen können und vermieden werden sollten, sind hinterlüftete, vorgemauerte Wände/Vorsatzschalen vor Außenwänden im Innenbereich. Hier bildet sich fast immer Kondenswasser im Holhraum, da sich die Feuchtigkeit der kälteren Außenluft über Leckagen niederschlägt. Dichtstoffe wie Silikon, Acrylate usw. zwischen Gefachen und Holz, Außen- und Innendämmung aus Styropor, Hartschaumplattenware oder Mineralfaser und abdichtende, sperrende Farben und Lacke auf den Balken und Gefachen sollten nicht verwendet werden, da deren Schadenspotential höher liegt wie die, ökologischer Baustoffe.

Die bessere Wahl sind Feuchte-verträgliche, Dampfdiffusionsoffene (Umgangssprachlich als atmen bezeichnet) und Kapillaraktive Baustoffe. Selbstverständlich steht es jedem frei eigenverantwortlich andere Baustoffe zu verwenden.

Bei der Planung des Wiederaufbaus empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:

Was will, braucht das Haus?
Was will, möchte der Hausbesitzer?
Wie bringen wir die ersten beiden Punkte unter einen Hut?
Und, ist das bezahlbar oder müssen Kostengünstigere Alternativen gefunden werden?

Nun gilt es eine Lösung zu finden, die unserem Anspruch an unser heutiges Wohnen gerecht wird. Dies läuft bei Fachwerkhäusern, allein schon aufgrund ihres teils hohen Alters, oft auf einen Kompromiss hinaus. Hinzu kommt die oft vorhandene Vielschichtigkeit der Bauweisen. Diese müssen in einem fachlichen Kontext betrachtet werden.

Die Entscheidungen werden immer, in letzter Konsequenz, vom jeweiligen Hausbesitzer getroffen. Es gibt mittlerweile schon viele Beispiele von Fachwerkhäusern im Ahrtal die zu schnell oder mit fragwürdigen Baumaterialien und Systemen wiederaufgebaut wurden. Auch die oft nur oberflächlich festgestellte Trockenheit der Wände hat manchen zu schnell handeln lassen. Die Feststellungen bei den Feuchtigkeitsmessungen bedürfen bei ihrer Interpretation entsprechende Fachkenntnis.

Der Wiederaufbau

Eine Hilfe bei der Entscheidung was, wie und mit welchen Materialien wiederaufgebaut werden soll, ist die Rückbesinnung auf die Bauweisen, die funktioniert haben. Wir haben viele Bauteile die teils 80-100 Jahre funktioniert haben und dann abgängig bzw. schadhaft sind. Dies kann also nicht falsch gewesen sein. Heutige in Fachwerkhäusern verwendete Systeme zeigen oft nach 5-10 Jahren schon erste Schadensanzeichen.

Fachwerk im Spiegel der Zeit

Ein klassisches Fachwerkhaus im Ahrtal besteht aus dem Holzständerwerk, den Gefachfüllungen und in der Regel aus Innen- und Aussenputzen. Im Außenbereich sind die Fassaden oft Fachwerksichtig oder, abhängig von der Altersstellung, mit Kalk-, Kalk-Zement- oder Zementputzen verputzt. Die Gefachfüllungen variieren ebenfalls in Abhängigkeit der Geschichte des jeweiligen Hauses. Im Ursprung meistens bestehend aus einem Geflecht aus Weidenruten und Eichenstaken mit grobem Strohhaltigen und wenig aufbereitetem Lehmschlag. In neueren Zeiten dann oft Ziegel- oder Bimsausmauerungen wobei die älteren Steine meistens sehr kapillaraktive, saugfähige, in Kalkmörtel vermauerte Gefach Ausmauerungen darstellten. Diese trugen dann zu einem gewissen Teil auch zur Entfeuchtung des Holztagwerks bei. Im Innenbereich ist der häufig anzutreffende historische Putzaufbau ein mehrschichtiger Lehmunterputz mit ein- oder zweilagigen Kalkputzen als Oberputz.

Wenn wir uns beim Wiederaufbau daran orientieren, sind die Lösungen naheliegend und spätere Schäden vermeidbar. Für die Entscheidungen was, wie und womit der Wiederaufbau durchgeführt werden soll, ist eine individuelle Betrachtung jedes einzelnen Fachwerkhauses sinnvoll. Zu vielschichtig ist die individuelle Baugeschichte der Häuser, um daraus eine Lösung für alle zu generieren. Wir können nur den Rat geben, die alten Bauweisen als sinnvollen Anhaltspunkt für Ihre Entscheidungen zu nehmen. Selbstverständlich in Kombination mit den industriellen Materialien und Systemen. Aber mit Sachverstand und Augenmaß.

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Historisches Ahrtal e.V. stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung, um Sie bei Ihrem Projekt zu unterstützen.

Gezeichnet, Peter Schneider, Bauhütte Siegerland